Corona bleibt. Wie geht es weiter?

Viele Leser werden sich mit Blick auf die Kapitalmärkte fragen: War es das schon? Oder kommt es noch viel schlimmer? Folgt nach der aktuellen Rezession in absehbarer Zeit ein Aufschwung? Oder stehen wir vor einer schweren Krise, die sich bis tief in das nächste Jahr hinzieht und danach nur langsam in eine Erholung mündet? Stefan Amenda, Leiter Multi Asset der MEAG, beleuchtet mögliche Szenarien für das Marktgeschehen.

Herr Amenda, in Italien sind die Autoverkäufe um 97,55 % eingebrochen. Das ist praktisch ein Rückgang auf null. Beschreibt das generell die aktuelle Wirtschaftstätigkeit?

Wir erleben gerade einen deutlichen und schweren Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität in Europa und Nordamerika. Wir fragen uns deshalb: Wie schnell kann die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen? Die Reaktionen an den Kapitalmärkten sind ebenso ausgeprägt wie nach der Finanzkrise 2008 und 2009. Das lässt den Schluss zu: Das Marktgeschehen wird nach einiger Zeit wieder in die Spur zurückfinden. Das ist auch unser Hauptszenario.


Besteht dennoch die Möglichkeit, dass es schlimmer kommt?

An den Kapitalmärkten spiegelt sich Zuversicht, dass die Politik und die Notenbanken die Situation in den Griff bekommen werden. Die ursprünglichen Erwartungen wird das Jahr 2020 allerdings nicht mehr erfüllen. Aber um beim Beispiel der Autos zu bleiben: Die Menschen werden weiterhin Auto fahren und auch neue Autos kaufen – die Frage ist nur, welche. Losgelöst von Corona behalten wir deshalb die Entwicklung der E-Mobilität im Blick. Die deutschen Autobauer müssen sich anstrengen, um bei dieser Technologie nicht den Anschluss zu verlieren. Zudem ist die Zulieferindustrie nicht so komfortabel ausgestattet wie die Autobauer selbst. Entscheidend wird sein, wie sich der Einbruch in den Lieferketten auswirkt. In einer vernetzten Ökonomie mit geringen Puffern sind manche Branchen anfälliger für weitergehende Störungen.


Die Lufthansa geht davon aus, erst 2023 wieder das Vorkrisenniveau zu erreichen. Zeichnet sich damit doch eine längere Durststrecke ab?

Die Folgen der Corona-Pandemie wirken sich unterschiedlich auf einzelne Branchen aus. Die Fluggesellschaften mussten ihre Auslastung fast komplett zurückfahren. Jetzt setzt eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen ein. Diese Unternehmen können aber erst zeitlich verzögert den Betrieb wieder aufnehmen. Denn der internationale Flugbetrieb hängt stark davon ab, ob die Pandemie flächendeckend rund um den Globus beherrschbar ist. Der Weg ist noch weit. Wichtige Trends überlagern zudem die Normalisierung: Aufgrund des Klimawandels werden Kurzstreckenflüge stärker im Wettbewerb stehen. Gleichzeitig hat die Corona-Krise der digitalen Kommunikation einen kräftigen Schub verliehen. Geschäftsreisen werden deswegen vermutlich tendenziell abnehmen. Auch Urlaubsreisen in die Ferne dürften erst langsam wieder zunehmen. Außenminister Heiko Maas hat bereits angekündigt: Eine Rückholaktion wird es kein zweites Mal geben. Wer will schon in der Ferne stranden?

Viele Anleger reagieren besonnen. Einige nutzen die Gelegenheit zum Nachkauf von Fondsanteilen. In der Vergangenheit hat sich das meist als gute Entscheidung erwiesen. Denn langfristig haben sich die Schwankungen an den Aktienmärkten immer ausgeglichen.

Stefan Amenda, Leiter Multi Asset

Was ist das schlimmste Szenario, auf das sich Anleger einstellen müssen?

Das schlimmste Szenario für uns alle ist, persönlich schwerwiegend von der Pandemie betroffen zu sein. Deswegen müssen wir sehr umsichtig und vorsichtig mit den anstehenden Lockerungsmaßnahmen umgehen. Wir sollten uns auch auf eine zweite oder dritte Infektionswelle einstellen. Nicht überall wird eine Lockerung ohne weitere Ansteckungen und erneute Maßnahmen zur Eindämmung erfolgen. Wenn wir es nicht schaffen, die Pandemie einigermaßen unter Kontrolle zu halten, müssten wir wieder über viele Wochen in einen womöglich sogar verschärften Lockdown gehen. Dann kann es zu einem Szenario kommen, das wir eine pandemische Depression nennen: ein scharfer und länger anhaltender Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität. Das lässt sich hoffentlich vermeiden. Für unsere Anleger gilt deshalb: Bleiben Sie uns gewogen – langfristig ist eine Geldanlage in Investmentfonds eine sehr gute Investition. Bislang reagieren viele Anleger besonnen. Einige nutzen sogar die Gelegenheit zum Nachkauf von Fondsanteilen. In der Vergangenheit hat sich das meist als eine gute Entscheidung erwiesen. Denn langfristig haben sich die Schwankungen an den Aktienmärkten immer ausgeglichen.