Sind Staatsanleihekäufe Geldpolitik oder eine verbotene Schuldenfinanzierung?

Die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt am „Public Sector Purchase Programme“ (PSPP) teil: Sie versorgt die Banken mit Geld, indem sie ihnen Anleihen der europäischen Mitgliedstaaten abkauft. Die Banken können dieses Geld weitergeben: in Form von günstigen Krediten für Unternehmen und Konsumenten. Niedrige Zinsen sollen Investitionen und den Konsum ankurbeln. Die EZB vertritt die Meinung: Bei den Staatsanleihekäufen handelt es sich um eine geldpolitische Maßnahme zur Stabilisierung des Euros und zur Erreichung des Inflationsziels. Darin bestehe eine ihrer Kernaufgaben.

Doch am 5. Mai hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die billionenschweren Anleihekäufe als verfassungswidrig eingestuft. Der EZB-Rat muss in den kommenden drei Monaten die Verhältnismäßigkeit des Kaufprogramms belegen. Sonst untersagt das Karlsruher Urteil der EZB die Teilnahme.

Eigentlich sollte es der EZB leichtfallen, die Wogen zu glätten: Eine Vielzahl an Experten könnte in der nächsten Entscheidung zum PSPP auf entsprechende Überlegungen und Analysen verweisen. Doch die Herausforderung ist größer. Denn das Urteil macht deutlich: Nicht die EZB und der Europäische Gerichtshof (EuGH) legen die Grenze zwischen Bundesstaat und Staatenbund fest. Der Ball liegt bei der Politik. Die Bundesregierung und der Bundestag müssen entscheiden: Sollen in der Europäischen Union mit dem PSPP weitere Integrationsschritte und damit neue Verträge angestrebt werden oder gilt die rote Linie aus Karlsruhe.