Der Wohlstand der Nationen.

Die Corona-Pandemie stellt die globalisierte Welt vor eine sehr grundsätzliche Frage: Müssen wir bei der Produktion und Lagerung von lebensnotwendigen Produkten mehr an uns selbst denken? Stefan Amenda, Leiter Multi Asset der MEAG, über die Konsequenzen für Staaten und Unternehmen.

Herr Amenda, eine Pandemie bricht aus und es braucht Wochen, bis in Deutschland genügend Atemschutzmasken verfügbar sind. Haben wir uns bei einem so wichtigen Produkt zu sehr auf andere Länder verlassen und die nationale Versorgung vernachlässigt?

Die internationale Arbeitsteilung und der Handel sind die Motoren der globalen Wirtschaft. Beide gehen Hand in Hand. Dadurch hat die internationale Verflechtung und Vernetzung in den vergangenen Jahrzehnten ständig zugenommen. Keine Frage: Liefer- und Wertschöpfungsketten sind komplexer und anfälliger geworden für Störungen aller Art. Die Atemschutzmasken aber sind ein Beispiel für ein Produkt, das in normalen Zeiten nur begrenzt nachgefragt wird. Bei einer Pandemie steigt die Nachfrage natürlich extrem an. Die fehlende kurzfristige Verfügbarkeit hat deshalb nichts mit der mangelnden Bereitschaft anderer Länder zu tun, uns mit Masken zu versorgen. Das Problem ist die geringe Elastizität des Angebots: Kurzfristig sind einfach nicht genügend Produktionskapazitäten vorhanden.


Die USA verfolgen eine Politik des nationalen Interesses. Das gilt auch für Großbritannien, das sich von der EU losgesagt hat. Und China ist seit jeher dafür bekannt, die eigenen Interessen über alles zu stellen. Haben unsere deutschen Unternehmen noch Zukunft?
 
Politik und Wirtschaft bewegen sich schon immer zwischen nationalen und internationalen Interessen. Auch die USA, Großbritannien und China sind auf gute Wirtschaftsbeziehungen angewiesen – untereinander und mit vielen anderen Ländern und Regionen. Die Politik wirbt verständlicherweise um die Gunst der eigenen Bevölkerung. So manche Parole wird dann noch von den Medien verstärkt. Gleichzeitig wird aber überall fleißig an Handelsabkommen und -vereinbarungen gearbeitet. Auch die Unternehmen wissen, dass sie von anderen abhängig sind und sorgen vor. In großen Absatzmärkten produzieren sie vor Ort und sind dann weniger anfällig für Handelshemmnisse oder Zölle. Das wissen auch die deutschen Unternehmen.

Langfristig bleiben Investitionen in Aktienmärkte ein wichtiger Bestandteil jeder Vermögensanlage. Wir sind in Aktien investiert und diese Investitionen werden sich über kurz oder lang für den Anleger in den von uns gemanagten Investmentfonds auszahlen.

Stefan Amenda, Leiter Multi Asset

Was können wir in Deutschland tun, um im Technologiesektor stärker und im Bereich Dienstleistungen besser zu werden? War das deutsche Konjunkturpaket von 130 Milliarden Euro ein richtiger Schritt in diese Richtung?

Es ist immer schwierig, das Gleichgewicht zu finden: Wie viel Förderung ist in der Gegenwart möglich, ohne die Zukunft zu verspielen? Das gerade verabschiedete Konjunkturpaket vermittelt einen guten Eindruck, wie so eine Balance aussehen könnte. Wir stärken die Binnennachfrage. Dies kommt vor allem den inländischen Produzenten zugute. Gleichzeitig haben wir der Versuchung widerstanden, alte Technologien wie Verbrennungsmotoren in den Mittelpunkt der Förderung zu stellen. Stattdessen hat die Politik positive Anreize für klimafreundliche Zukunftstechnologien und Infrastrukturen geschaffen. Insgesamt hat Deutschland das aus unserer Sicht gut gemacht. Vor allem dank einer soliden Haushaltsführung ist Deutschland jetzt in der Lage gewesen, ein großzügiges Konjunkturprogramm aufzusetzen.

Sind vor dem Hintergrund der expansiven fiskalischen und geldpolitischen Maßnahmen die hohen Kurse an den Aktienmärkten gerechtfertigt?

Die Kurse nehmen viel Zuversicht vorweg. Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass der Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität nur temporär sein wird. Die Börsen schauen sozusagen durch die schwierige Phase hindurch auf die sich bereits abzeichnende Aufwärtsentwicklung. Auch könnte die Pandemie für einen Schub hinsichtlich der Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt sorgen. Beide Faktoren würden die Produktivität erhöhen. Denken wir nur an die Konferenztechnik und wie künstliche Intelligenz sie unterstützen kann. Schon bald könnten wir uns über unterschiedliche Sprachräume hinweg besprechen: Jeder spricht seine Sprache, die dann automatisch in die jeweilig präferierte Sprache der Zuhörer übersetzt wird. Gleichwohl bleibt die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle der Pandemie. Jedenfalls solange noch kein Impfstoff verfügbar ist. Es bleibt eine Gratwanderung. Langfristig bleiben Investitionen in die Aktienmärkte jedoch ein wichtiger Bestandteil jeder Vermögensanlage. Wir sind in Aktien investiert und diese Investitionen werden sich über kurz oder lang für den Anleger in den von uns gemanagten Investmentfonds auch auszahlen.