In der Pandemie: Unternehmen sind erfinderisch

Der erneute Anstieg von positiv auf Covid-19 Getesteten hat sich abgezeichnet. Nun stecken wir bereits mitten in der „zweiten Welle“. Mit welchen Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung sollten Anleger rechnen? Stefan Amenda, Leiter Multi-Asset der MEAG, bleibt zuversichtlich.

Herr Amenda, im März wurden weltweit das soziale Leben und die Wirtschaft komplett heruntergefahren, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Mit Erfolg – bis zum Ende des Sommers. Inzwischen steigt die Zahl der positiven Testergebnisse rasant an. Müsste die Politik nicht mehr tun?

Deutschland ist eine Demokratie. Politische Maßnahmen lassen sich in einem demokratischen Staatssystem nur gemeinsam mit der Bevölkerung realisieren. Ohne die Einsicht und Verantwortung jedes einzelnen Bürgers für sich selbst und für die Gemeinschaft geht es nicht. Wir können von Glück reden, in einem politischen System ohne hundertprozentige staatliche Durchdringung bis ins Privatleben der Bürger zu leben. Doch genau das stellt sich in der Pandemie als Problem dar: Während der Staat im öffentlichen Raum kontrollieren kann, ob die Vorschriften eingehalten werden, bleibt das Privatleben der Bürger tabu. Und das sehen wir ja jetzt ganz deutlich: Insbesondere im privaten Bereich entstehen immer wieder Infektionsherde, da Hygienevorschriften, Maskenpflicht und Abstandsregeln nicht von allen konsequent eingehalten werden. Es gibt genug politische Maßnahmen – wir müssen uns nur alle gemeinsam an sie halten. Losgelöst davon gilt nach wie vor: Deutschland schlägt sich im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn weiterhin sehr gut.

Rechnen Sie mit einem erneuten landesweiten Lockdown?

Einen Lockdown wie wir ihn im Frühjahr in Deutschland gesehen haben, und der im Vergleich mit anderen europäischen Ländern kein vollständiger war, sondern uns einige Freiheiten gelassen hat, werden wir so aller Wahrscheinlichkeit nach nicht noch einmal erleben. Wir befinden uns jetzt in der Lage, sehr viel gezielter Aktivität dort – lokal und mit Blick auf besonders gefährdete Personen – herauszunehmen, wo das Infektionsgeschehen besonders stark um sich greift. Damit sollten wir in der Lage sein, das öffentliche Leben insgesamt, vor allem auch in den Bildungseinrichtungen und den Unternehmen, in einem deutlich höheren Umfang als im Frühjahr aufrechtzuerhalten. Für die von den Einschränkungen besonders betroffenen Menschen ist das dennoch schmerzhaft und kann enorme wirtschaftliche Folgen haben. Dazu zählen Gaststätten und Hotelbetriebe oder Veranstaltungsbetriebe und viele Kunstschaffende.

Unser Ausblick für die Kapitalmärkte bleibt konstruktiv und damit zuversichtlich.

Stefan Amenda, Leiter Multi Asset

Gibt es auch Gewinner der aktuellen Situation?

Wir erkennen durchaus auch Anpassungsreaktionen. „Not macht erfinderisch“, sagt der Volksmund. Und getreu diesem Motto richten einige Unternehmen ihr Geschäftsmodell neu aus. Hotels bieten Mobile-Working-Arbeitsplätze an, um ihre freien Räume zu belegen. Manche Unternehmen erleben in der momentanen Lage sogar eine erhöhte Nachfrage. So hat beispielsweise der Export nach China wieder stark zugelegt, wovon insbesondere die deutsche Automobilindustrie profitiert.

Ist eine weitere Verschuldung durch staatliche Hilfen noch tragbar?

Ich sehe keine Gefahr für einen Schuldenkollaps. Zum einen dürfte es, wie bereits ausgeführt, zu keinem zweiten Lockdown kommen. Zum anderen war Deutschland vor Beginn der Pandemie mit sehr soliden öffentlichen Haushalten ausgestattet und konnte sich daher ein kräftiges Konjunkturpaket leisten. Die Netto-Neuverschuldung ist hoch, lässt sich aber verkraften. Nach wie vor liegen die Schulden der öffentlichen Haushalte in einem komfortabel tragfähigen Bereich.

Was heißt das für die Anleger?

Unser Ausblick für die Kapitalmärkte bleibt konstruktiv und damit zuversichtlich. Anleger sollten jederzeit handlungsfähig bleiben. Das gilt insbesondere in einem unruhigen Kapitalmarktumfeld. Für die Anleger heißt das: immer auf eine hinreichende Liquidität achten. Einige Monate lang sollte jeder Anleger seinen gewohnten Lebensstil aufrechterhalten können – egal, was kommt. Und auf lange Sicht können Anleger je nach Chance-/Risikoneigung der Renditekraft von Aktien vertrauen. Denn wie gesagt: In der Not sind Unternehmen erfinderisch. Anleger, die langfristig in einen breit aufgestellten Mischfonds investieren, sind dabei, wenn Unternehmen jetzt den Grundstein für ihre künftigen Erfolge legen.