Anleihen rentieren wieder

In Zeiten von Null- und Minuszinsen gelten Anleihen bei vielen Anlegern als wenig vorteilhaft. Um die aktuell hohe Inflation einzudämmen, gehen viele Experten davon aus, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) bald die Zinsen erhöhen wird. Gibt es mit Anleihen wieder etwas zu verdienen? Stefan Amenda, Leiter Equity & Multi Asset, gibt Antworten.

Sichere Staatsanleihen längerer Laufzeiten haben wieder deutlich positive Renditen. Sollten Anleger stärker auf Anleihen setzen?

Ein ausgewogenes, gut ausbalanciertes Portfolio ist wichtig für den Anleger. Anleihen haben in gemischten und vermögensverwaltenden Portfolien normalerweise eine ausgleichende, stabilisierende Funktion. Zu verdienen gab es mit ihnen in den vergangenen Jahren nur wenig. Jetzt haben die Zinsen zwar wieder positives Terrain erreicht. Ein Blick auf die Inflationsraten relativiert jedoch die Sicht.

Bleibt unter dem Strich, also unter Berücksichtigung der hohen Inflationsraten, überhaupt etwas übrig?

Zunächst werden hier häufig unterschiedliche Zeiträume verglichen. Die Inflationsraten, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, beziehen sich auf die Vergangenheit. Die Änderungsrate des Konsumentenpreisindex wird über ein jeweils monatsversetztes Jahr betrachtet.

Welche Zeiträume werden bei Anleihen betrachtet?

Die Zinsen der Anleihen, von denen wir hier sprechen, beziehen sich auf die Zukunft, beispielsweise die nächsten fünf oder zehn Jahre. Die spannende Frage lautet jetzt: Wie wird sich die Inflationsrate in der Zukunft entwickeln

Mit welcher Entwicklung rechnen Sie?

Wir müssen mittlerweile damit rechnen, dass die Inflation gekommen ist, um länger zu bleiben. Die Inflation dürfte sich auch zukünftig auf einem höheren Niveau bewegen. Entsprechend hat sich in den letzten Wochen auch der Druck auf die Zentralbanken erhöht, energisch gegenzusteuern. Es wird ihr meiner Einschätzung nach aber nur bedingt gelingen, die Inflationsrate einzudämmen – aus verschiedenen Gründen.

Welche Gründe wären dies?

Eine stark expansive Geldpolitik kann, aber muss nicht zu Inflation führen. In den Jahren nach der Finanzkrise 2008/2009 hatten wir fast ständig eine sehr expansive Geldpolitik, aber kaum Inflation. Was fehlte, waren angebots- oder nachfrageseitige Auftriebskräf

Welche Faktoren haben auf der Angebotsseite die Inflation begünstigt?

Die globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten sind nach wie vor gestört. Der Übergang vom pandemiebedingten Stillstand in den Normalbetrieb geht schwieriger vonstatten als erwartet. Die globale Wirtschaft ist ein komplexes Räderwerk. Steht nur ein Rad still, kommt vieles zum Erliegen. Das Wiederanlaufen dauert aber viel länger als das Abbremsen.

Wir müssen mittlerweile damit rechnen, dass die Inflation gekommen ist, um länger zu bleiben. Die Inflation dürfte sich auch zukünftig auf einem höheren Niveau bewegen.

Stefan Amenda, Head of Equity & Multi Asset

Welchen Anteil hat der russische Krieg an der Inflation?

Den spüren wir bereits jetzt sehr deutlich an den Zapfsäulen. Mit Verzögerung wird auch der gestiegene Gaspreis beim Verbraucher ankommen. Pflanzenöl aus Sonnenblumen oder Raps ist vielleicht am deutlichsten sichtbar knapp geworden – die Regale sind seit Wochen leer. Die Ukraine als europäische Kornkammer hat einen spürbaren Effekt auf unseren Lebenshaltungskostenindex.

Hat die Nachfrage auch die Inflation nach oben getrieben?

Befragungen von Unternehmen zeigen, dass die Auftragsbücher voll sind und die Unternehmen kaum hinterherkommen, die Aufträge abzuarbeiten. Im privaten Bereich ist das deutlich zu spüren, so sind beispielsweise Handwerker über Wochen und Monate ausgebucht. Die noch stark steigenden Verteidigungsausgaben sind ebenfalls ein deutlich sichtbares Zeichen einer kommenden erhöhten gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

Wie sollen sich Anleger angesichts anziehender Inflation und wieder deutlich positiver Zinsen jetzt verhalten?

Für Anleger bedeuten steigende Inflationsraten, dass nicht benötigtes Geld nicht zinslos geparkt werden sollte. Sonst holt sich die Inflation einen steigenden Anteil daran. Bislang war ein reichlich bestücktes Girokonto kein Problem. Schließlich gab es praktisch keinen entgangenen Zinsertrag. Jetzt kostet jeder unnötig geparkte Euro richtig Geld.

Sollten Anleger jetzt aktiv werden?

Aktives Anlegen ist vor diesem Hintergrund stärker gefragt. Jede Anlegerin und jeder Anleger sollte seine Anlagestrategie überdenken und entsprechend ihrer oder seiner Chance-/ Risikoneigung und des Anlagehorizontes frei verfügbares Geld anlegen – gerne auch in den gemischten und vermögensverwaltenden Investmentfonds von ERGO und MEAG. Wir manövrieren Kundengelder seit vielen Jahren erfolgreich durch schwierige Börsenphasen.